Was bedeutet der Zukunftsvertrag für das Rheinische Revier?

Nach mehrwöchigen, intensiven Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN NRW ist nun der Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen von Parteitagen beider Parteien angenommen und von den Parteivorsitzenden unterzeichnet worden. Er ist die Grundlage für die inhaltliche Arbeit der neuen Landesregierung in der 18. Legislaturperiode bis 2027. Ich durfte in der Arbeitsgruppe 01 unter der Leitung von Mona Neubaur und Wibke Brems gemeinsam mit Oliver Krischer, Michael Röls und Marc Zimmermann über die Themen Wirtschaft, Klima und Energie verhandeln.

Aus dem Rheinischen Revier waren außerdem Simon Rock in der AG 03 zu Haushalt, Personal und Finanzen, Astrid Vogelheim in AG 05 zu Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, Laura Postma in AG 06 zu Verkehr, Lena Zingsheim in AG 10 zu Schule und Bildung, sowie Anja von Marenholz als Leiterin der AG 12 zu Kultur und Medien, Demokratie und Sport als Grüne Landtagsabgeordnete eingebunden.

Der Koalitionsvertrag behandelt an verschiedenen Stellen Aspekte, die direkt das Rheinische Revier und meine Herzensanliegen betreffen. Hier möchte ich einige für mich zentrale Punkte erläutern und auf Grund der Vielzahl der Themen des Koalitionsvertrages auch auf die Internetauftritte der anderen Grünen Abgeordneten des Revieres verweisen, wo andere Schwerpunkte detaillierter dargelegt werden.

Wir setzen den Kohleausstieg in NRW bis 2030 um

Ohne den Kohleausstieg bis 2030 sind die Klimaziele nicht zu erreichen. Daher setzen wir ihn um und werden die fünf Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts Keyenberg, Kuckum, Berverath, sowie Ober- und Unterwestrich definitiv erhalten. Hunderte Umsiedlungsbetroffene erhalten somit endlich Sicherheit: ihre Dörfer Bleiben! Und wir wollen diese Dörfer zu Orten der Zukunft im Rheinischen Revier machen und wiederbeleben. Damit haben wir wesentliche Forderungen aus unserem Wahlprogramm verankert. 

Da die aktuelle Tagebauplanung noch von einem Ausstieg im Jahr 2038 ausgeht, wollen wir eine Neuplanung auf den Weg bringen, die Grundlage für eine schnellstmögliche neue Leitentscheidung sein wird: “Diese Leitentscheidung soll das letzte Kapitel für den Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen sein”, heißt es im Vertrag. Bis dahin möchte die Landesregierung in Gespräche mit RWE eintreten und eine einvernehmliche Lösung finden, welche Flächen noch in Anspruch genommen werden können, bis eine Anpassung auf das Vorziehen des Kohleausstiegs bis 2030 erfolgt ist. Diese Vereinbarungen waren mir ein besonderes Anliegen, um den sozialen Frieden in der Region zu wahren und den Klimaschutz voranzubringen. Ich hoffe sehr, dass allen Beteiligten in diesem Prozess an einer einvernehmlichen Lösung im Sinne der Menschen gelegen ist.

Außerdem werden wir die von RWE postulierten Bedarfe an “Massen” (Abraum wie Sande und Kiese, aber auch fruchtbare Lössböden) für die Gestaltung der Tagebaufolgelandschaften an den Tagebauen Garzweiler und Hambach unabhängig evaluieren. Dies ist wichtig, damit nicht wertvolle Flächen für den Abbau dieser Massen zerstört werden, obwohl es auch nachhaltige Alternativen der Landschaftsgestaltung gibt. Um den Hambacher Wald bilden wir eine in öffentlichem Eigentum stehende großflächige Waldvernetzung und sichern auch so seinen dauerhaften Erhalt. Des Weiteren haben wir vereinbart, dass die Tagebaufolgekosten, insbesondere die des dauerhaften Grundwassermanagements und der Wiedernutzbarmachung und Rekultivierung von Flächen, vollständig von RWE getragen werden müssen. Hierfür hat die RWE AG als Bergbautreibender nach dem Verursacherprinzip ausreichend Vorsorge zu treffen und mit ihrem gesamten Vermögen zu haften. Die Landesregierung wird alle Tagebaufolgekosten, inklusive des dauerhaften Grundwassermanagements, durch ein unabhängiges Gutachten fachlich und wirtschaftlich bewerten lassen.

Wir gestalten den Strukturwandel transparenter und partizipativer

In der Kohlekommission der Bundesregierung habe ich über die 14,8 Milliarden Euro Fördergelder für den Strukturwandel im Rheinischen Revier mitverhandelt. Im Koalitionsvertrag konnten wir jetzt festhalten, dass diese Gelder schneller, transparenter und nach klareren Kriterien vergeben werden. Richtschnur hierfür ist eine transformative Strukturpolitik für eine klimaneutrale Wirtschaftsregion im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen. Nach diesen Zielen werden wir auch die konkrete Budgetplanung des Strukturwandels nachjustieren. In diesem Sinne werden wir auch gemeinsam mit den Akteuren der Region die Arbeit und die Struktur der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) verbessern. 

Da die Tagebaue zu Eingriffen insbesondere auch in den Wasserhaushalt und die Umwelt geführt haben, wollen wir den Umwelt- und Naturschutz stärken, die Eingriffe auf das mögliche Minimum reduzieren und revierweite Planungen für diese Bereiche vorantreiben.  Dazu gehören im Rahmen der Stärkung der grün-blauen Infrastruktur ein gesamträumliches Wasserkonzept und die Sicherung eines Ökosystemverbundes

Wir lassen die Transformationsprozesse wissenschaftlich begleiten und stellen den Wissenstransfer in andere Regionen, die sich von fossilen Rohstoffen lösen, sicher – so können sie von unseren Erfahrungen lernen. Den Campus Rhein-Erft der TH Köln werden wir als Modellcampus für nachhaltige Campus- und Raumentwicklung mit klimapositiven Referenzbauten errichten und so dessen Innovationskraft zur Unterstützung des Strukturwandels im Rheinischen Revier nutzen. Im Rheinischen Revier zeigen wir auch, wie das „Neue Europäische Bauhaus“ Bauästhetik mit Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und innovativen Ideen vereinen kann.
Des Weiteren wird sich die Landesregierung außerdem dafür einsetzen, dass im Zuge des Kohleausstiegs nicht mehr benötigte Schienenstrecken der RWE-Werksbahn vom Bund übernommen und zur Entlastung der Rheinschiene genutzt werden, indem eine Güterverkehrsumfahrung des Bahnknoten Köln geschaffen wird. Dies ist eine wichtiger Bestandteil des revierweiten Ausbaus des Eisenbahninfrastruktur, wie er von uns Grünen vorgeschlagen wurde. Ein revierweites Radwegenetz befindet sich bereits in ersten Planungen. 

Die nachhaltige, sozial ökologische und gerechte Gestaltung des Strukturwandels ist eine gesamtgesllschaftliche Aufgabe. Deshalb engagiere ich mich schon länger für mehr echte Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürger*innen und zivilgesellschaftliche  Akteure. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir endlich den schon von der Kohlekommission empfohlenen Fonds für bürgerschaftliche Projekte umsetzen werden und diesen auch für die Bereiche Identitätspflege und für ein “Reallabor Bürgerbeteiligung“ nutzen wollen. Auch die Kultur ist ein wichtiges Element für die aktive Gestaltung von Umbrüchen im Rahmen der Transformation. Deswegen unterstützt die neue Landesregierung Projekte der Kommunen und der Landschaftsverbände, die den Wandel unserer Region dauerhaft deutlich machen.

Mit zwei Bürgerräten, die die Gesellschaft repräsentativ abbilden, wollen wir dieses Instrument erproben um unterschiedliche Perspektiven in politische Entscheidungsprozesse einbeziehen zu können. Darüberhinaus soll in der Landesregierung eine zentrale Ansprechstelle für Bürgerbeteiligung geschaffen und ein Beratungs- und Austausch Netzwerk für kommunale Bürgerbeteiligung gegründet werden, damit die Beteiligung auf Landesebene und in Zusammenarbeit mit den Kommunen gestärkt wird. 

In einem Zukunftsvertrag dürfen auch die vorausschauenden und vorsorgenden Aspekte von Bildung und der Nutzung von Flächen nicht fehlen. Deshalb werden wir die “Querschnittsaufgabe Strukturwandel besser mit der Braunkohle- und der Regionalplanung verzahnen.” “Das Prinzip der Flächensparsamkeit soll Leitschnur unseres Regierungshandelns sein. Unser Ziel ist es, den Flächenverbrauch zeitnah auf 5 ha pro Tag und perspektivisch auch weitergehend durch konkrete Maßnahmen zu reduzieren. Dazu werden wir den 5ha-Grundsatz in den LEP aufnehmen.” Auch der vorsorgende Hochwasserschutz soll als Grundsatz in den LEP (Landesentwicklungsplan) aufgenommen werden, ein Planzeichen für die Landwirtschaft in Regional- und Flächennutzungsplänen eingeführt werden. Neue Gewerbe- und Industriegebiete müssen zukunftsfähig sein und unter Klimaschutzaspekten entwickelt werden. Bei der effizienteren Nutzung von Flächen haben die “Nach- und Umnutzung vorhandener und freiwerdender Flächen höchste Priorität”.

Wir wollen die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) stärken und ausserschulische Lernorte und Umweltbildungszentren fördern. “ Wir bauen die BNE-Regionalzentren zu einem landesweiten Netzwerk aus, das mehr Projekte, Patenschaften und kommunale Aktivitäten, auch in Fort- und weiterbildung, beinhaltet.“ 

Es ist also deutlich: Im Koalitionsvertrag steckt Einiges und Gehaltvolles für das Rheinische Revier und dessen sozial-ökologische Transformation und für mehr Mitbestimmung. Auch im Wissen, dass noch ein weiter und herausfordernder Weg und viel Arbeit vor uns liegt, freue ich mich, mich in den nächsten Jahren intensiv in die Umsetzung und Realisierung einbringen zu dürfen und bin auch auf eure Ideen, Fragen und Rückmeldungen gespannt!

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