Durch die Beschleunigung des Kohleausstiegs auf 2030/33 wird das geplante Abbaugebiet des Tagebaus Garzweiler deutlich verkleinert. Keyenberg, Kuckum, Berverath, sowie Ober- und Unterwestrich und drei Feldhöfe bleiben erhalten – endlich, nach jahrelangen Protesten von Anwohner*innen für den Verbleib in ihrem zu Hause. Die Ortschaft Holzweiler wurde bereits 2016 im Rahmen einer Leitentscheidung unter rot-grüner Landesregierung auf Drängen von Bündnis 90/ Die Grünen aus den Abbauplänen herausgenommen. Diese erhaltenen Dörfer am Tagebau Garzweiler II sollen als Orte der Zukunft reaktiviert und die Lebensqualität wieder hergestellt werden.
Doch ein überflüssiges Projekt von RWE bringt seit längerem neue Unruhe in die Tagebauregion.
Zwischen Keyenberg und Holzweiler verläuft die Landstraße L12, Anwohner*innen bezeichnen sie als „Lebensader“ der Region. RWE plant, sie zerstören – obwohl das unnötig ist.

L 12 und der Braunkohlebedarf
Der Erhalt der L12 liegt eigentlich auf der Hand. Westlich der L12 liegen nämlich lediglich 15 – 20 Millionen Tonnen Kohle. Diese Kohle wird aber gar nicht mehr gebraucht, wie verschiedene Studien zeigen. Lediglich im unrealistischen Extremszenario von BET (gelber Balken ganz rechts) bei voller Ausschöpfung der Kohlereserve (rot gepunkteter Bereich) übersteigt der Bedarf das Angebot – allerdings auch unter Inanspruchnahme der L12. Ob diese Kohlereserve überhaupt, und wenn ja in welchem Umfang, genutzt werden kann, entscheidet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) im Jahr 2026. Angesichts des Ausbaus der erneuerbaren Energien, für den wir Grüne uns täglich vor Ort, im Land, auf Bundesebene und in Europa einsetzen, ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die Kohlereserve voll ausgeschöpft würde. In jedem Fall könnte RWE mit der Inanspruchnahme der L12 bis zur Entscheidung des BMWK 2026 warten – denn ohne Aktivierung der Reserve wird die Kohle unter der L12 definitiv nicht gebraucht.

L 12 soll für Gewinnung von Abraum zerstört werden – Umplanungen sind möglich
Doch es geht bei der Inanspruchnahme der L12 überhaupt nicht um die Kohle – das hat RWE mir sogar schriftlich bestätigt. Vielmehr geht es um die Gewinnung von Abraummassen: 140 Millionen m³ Abraum will RWE unter und westlich der L12 fördern. Mit diesem Material will RWE das sogenannte östliche Restloch des ehemaligen Tagebaus Garzweiler I befüllen. Hier gibt es eine sehr charmante Alternative: anstatt einer randvollen Befüllung mit Abraum könnte die Fläche auch nur im Norden zur Schaffung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen verfüllt werden und im Süden des Ostlochs ein Artenschutzprojekt von internationaler Strahlkraft gestartet werden. Dieser Vorschlag geht zurück auf ein Konzept des Ingenieurbüros ahu und wird als „Arche-Lösung“ bezeichnet: es könnte ein Mosaik aus Flachwasserbereichen, feucht-nassen Flächen und trockenen Standorten unterschiedlicher Exposition geschaffen werden, das Arten von Pionierstandorten, Magerrasen, Heiden, Seggenrieden und der Feldflur aufnimmt. Bestenfalls würden diese Habitate in einen revierweiten Ökosystemverbund eingefügt, um einen Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt zu leisten. Laut ahu könnten mit einer durchschnittlichen Niveauabsenkung um 29 Meter sogar bis zu 200 Mio. m³ Abraum eingespart werden. Auch abraumsparende Teillösungen, die eine Wiedernutzbarmachung des östlichen Restlochs mit dem Charakter einer landwirtschaftlich nutzbaren Fläche und einem Artenschutzareal ermöglichen, sind denkbar. So kann die Vielfalt der Interessen im Rheinischen Revier in der Gesamtschau ausgeglichen berücksichtigt werden.
Die Verfüllung des östlichen Restlochs ist dabei nicht zeitkritisch und steht einem Erhalt der L12 bis zur Entscheidung des BMWK über die Aktivierung und das Ausmaß der Kohlereserve 2026 nicht im Weg.
RWE sagt selber, dass „die Fläche unter dem südlichsten Windrad voraussichtlich nicht vor November 2025 benötigt [werde]“. Vielmehr sieht die aktuelle Planung von RWE sogar vor im südlichen Bereich des Tagebaus um die ehemalige Ortslage von Immerath weite Flächen innerhalb des genehmigten Hauptbetriebsplans bis zu dessen Auslaufen Ende 2025 überhaupt nicht in Anspruch nehmen, stattdessen aber die L12 im Norden des Tagebaus zu beanspruchen.

Windpark an der L 12
An der Landstraße L12 befinden sich Windkraftanlagen mit hoher lokaler Akzeptanz. Diese sind nach Angaben des Betreibers für das Repowering geeignet und können circa 23.650 Haushalte mit Strom versorgen. Nach der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes 2023 liegt der Betrieb von EE-Anlagen im „überragenden öffentlichen Interesse“. Gleichzeitig ist es das erklärte Ziel der schwarz-grünen Landesregierung, in dieser Legislaturperiode 1000 Windkraftanlagen zu errichten. Am Tagebau Garzweiler sollen hingegen bestehende Windkraftanlagen abgerissen werden, um den Kohletagebau zu erweitern.
Bedeutung der L 12 für die Anwohner*innen
Eine Zerstörung der L12 durch RWE hätte gravierende negative Auswirkungen für die Anwohner*innen und den Strukturwandel: Sie hätten wesentlich längere Wege zur Arbeit, zur Schule, und auch die Feuerwehr bräuchte deutlich länger zu Einsätzen. Holzweiler würde in eine Art Halbinsellage geraten und in der Region isoliert. Die Belastungen durch den Tagebau steigen durch das weitere Heranrücken an die Dörfer. Auch direkte Busverbindungen zwischen Keyenberg und Holzweiler würde es bei einem Abriss der L12 nicht mehr geben. Durch den Wegfall der direkten Verbindung zwischen den Keyenberger Dörfern und Holzweiler wird außerdem die Gestaltung der gesamten Tagebauumgebung und die Reaktivierung der Dörfer als Orte der Zukunft erschwert.
Rechtliche Unsicherheit durch ungelöste Grundstücksbeschaffung
Nicht zuletzt sind RWEs weitere Pläne für den Tagebau Garzweiler von großer rechtlicher Unsicherheit geprägt. In der Diskussion um die Inanspruchnahme Lützeraths gab der Kohlekonzern an, dass am Tagebau Garzweiler die „[w]eitere Grundstücksbeschaffung ungelöst“ und damit „Reduzierungen von Kohle und Abraum wahrscheinlich“ seien. Tatsächlich befinden sich im Bereich der Landstraße L12 nicht alle Flächen im Eigentum oder Besitz der RWE. Diese liegen teilweise im Bereich des Hauptbetriebsplan 2023-25 zwischen der L12 und dem Windpark. Auch im weiteren von RWE gewünschten Vorfeld westlich der L12 hat RWE keinen bergbaulichen Zugriff auf das gesamte Areal. Eigentümer*innen dieser Flächen bekundeten ihre Absicht, ihr Eigentum nicht freiwillig an RWE zu übertragen. Damit drohen am Tagebau Garzweiler neue Enteignungen. Diese langwierigen Verfahren können die Bewegung des Tagebaus im südlichen Bereich der L12 erheblich einschränken. Ihr rechtlicher Ausgang ist dabei offen, so dass der Tagebau Garzweiler im südlichen Bereich der L12 diese gegebenenfalls nie überschreiten wird.

Ein Erhalt der L12 wäre ein Signal des Respekts an die Menschen vor Ort und ein Zeichen der sozialen Verantwortung gegenüber den Tagebaubetroffenen. Die Anwohner*innen der Grubenranddörfer bringen durch die tagebaubedingten Belastungen durch Staub, Lärm und Licht seit Jahrzehnten große Opfer in Bezug auf ihre Lebensqualität und Gesundheit. Diese können durch einen Erhalt der L12 minimiert und der soziale Frieden in der Region geschützt werden. Insbesondere die nun erhaltenen Ortschaften und Feldhöfe sollen als Orte der Zukunft reaktiviert werden. Eine Halbinsellage Holzweilers und gestörte Wegebeziehungen bei einem Abriss der L12 würden dieses für den Strukturwandel im Rheinischen Revier so wichtige Vorhaben beeinträchtigen.
RWE sollte daher die Abbauplanung so anpassen, dass die L12 erhalten bleibt.

Kurze Chronologie:
Bereits am 7. November 2022 hatte ich mich in Sachen Erhalt der L 12 in einem Brief an RWE gewandt. Darin fordere ich das Bergbauunternehmen auf, „alles zu unterlassen, was zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensverhältnisse vor Ort führt“ und drücke meine Erwartung aus, dass „die L12 den Menschen in der Region dauerhaft erhalten bleibt“.
Ursprünglich war die Einziehung der L 12 schon für den 1. Dezember 2022 geplant. Durch den Einsatz von Ministerin Mona Neubaur und eine Intervention von Minister Oliver Krischer konnten wir das zum damaligen Zeitpunkt verhindern. Dieser Einsatz zeigt, dass Grüne Verantwortungsübernahme einen Unterschied machen kann!
Am 08.12.2022 beschloss die Abteilung Bergbau und Energie in NRW der Bezirksregierung Arnsberg, den von RWE beantragten Hauptbetriebsplan 2023-25 für den Tagebau Garzweiler zuzulassen. In dieser Zulassung wird bezüglich der „Inanspruchnahme der Landstraße 12 und möglicher Ausweichrouten“ auf die „Erklärung der RWE Power an Antje Grothus (MdL NRW) vom 28.11.2021“ verwiesen (S. 13, Ziffer 10). Dieses Schreiben möchte ich daher der Öffentlichkeit nicht vorbehalten, es ist hier einsehbar. Darin behauptet RWE, dass ein „erheblich[er] Einbruch in der Kohleförderung“ drohe, wenn die L12 nicht bis Juli 2023 abgerissen wird. Wir erinnern uns: RWE behauptete 2018 auch, dass der Tagebau Hambach stillstünde, wenn der Hambacher Wald erhalten bliebe. In der Realität läuft der Tagebau Hambach bis 2029 weiter, obwohl der Wald noch steht.
Am 4.04.2023 nahm ich an der Sitzung des Bezirksausschuss Holzweiler/Immerath im Kaisersaal in Immerath teil. Viele Anwohner*innen und auch die Projektgruppe L 12 der Interessenvertretung „Wir in Holzweiler“ wiesen dort auf die Bedeutung der Landstraße für Holzweiler hin. Bereits dort wurde vorgetragen, dass der Aufschluss des Tagebaus zunächst in Richtung der vorbereiteten Flächen im Süden des Hauptbetriebsplanes verlagert werden könne. Im Rahmen der Revierfahrt unserer Fraktion am 9.05.2023 diskutierten wir auf dem Eggerather Hof mit Holzweiler Bürgern und Bürgerinnen über die aktuelle Situation nach vor Ort. In die große Freude und Dankbarkeit über die Rettung der drei Feldhöfe, mischte sich die Sorge über die aktuellen Belastungen durch den näher rückenden Tagebau. Auch die L 12 wurde mehrfach thematisiert.

In einem erneuten Schreiben an RWE vom 17. Mai 2023 habe ich die oben stehenden Argumente für einen Erhalt der L12 vorgetragen und deutlich gemacht, dass „weder den Anwohner*innen vor Ort, noch der Landespolitik zu erklären [ist], dass dieser Schritt [der Abriss der L12] genau jetzt und noch vor der Verabschiedung der neuen Leitentscheidung zwingend notwendig sei – denn das ist er nicht“. Die Rheinische Post berichtete über diesen Brief.
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