Wenn ein jurstisches Gutachten zu dem Schluss kommt, dass „ein Ermessensmissbrauch der anweisenden Behörden zu bejahen“ ist, ist der nächste Skandal nicht weit. Oder in diesem Fall: Der nächste Skandal in einer ganzen Serie von Rechtsbeugungen, rechtswidrigen Anweisungen und Vertuschungen seitens der schwarz-gelben Landesregierung und des CDU-geführten Heimatministeriums.
Doch von vorne:
Dass mit der Räumung des Hambacher Waldes und dem damit verbundenen größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes im September 2018 der Arbeit der Kohlekommission der Bundesregierung (welche u.a. über den Erhalt des Hambacher Waldes verhandelte) und einem Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster (welches die Rodungsarbeiten im Wald letztendlich stoppte) vorgegriffen werden sollte und die Räumung gegen den Willen und die Warnungen der Stadt Kerpen angeordnet wurde, um im wirtschaftlichen Interesse des RWE-Konzerns Fakten zu schaffen, sei dahingestellt.
Dass die Landesregierung im Sinne ihrer fossilen Politik sich nach Gutdünken, nicht aber nach rechtsstaatlichen Prinzipien die Paragraphen so zu Recht bog, dass ‘passend gemacht wird, was nicht passt’, ist spätestens seit Armin Laschets Aussage, dass er “einen Vorwand” brauchte, um den Hambacher Wald zu räumen, klar. So war denn auch der berüchtigte ‘Brandschutz’ ein vorgeschobener Grund für die Räumung 2018, wie das Verwaltungsgericht Köln festgestellt hat. Laut Verwaltungsgericht Köln war damit die Räumung rechtswidrig.
Doch anstatt sich für Versöhnung und den sozialen Frieden in unserer Region einzusetzen, verfolgt die Landesregierung weiter ihre Politik der Täuschung und Rechtsbeugung.
Nachdem der Rat der Kolpingstadt Kerpen am 26. Oktober 2021 entschied, dass Kerpens Bürgermeister Spürck seinen bereits gestellten Antrag auf Berufung gegen das Urteil des VG Köln zurückzuziehen habe, schickte das MHKBG NRW ihm eine Weisung, wonach er entgegen dem demokratischen Beschluss des Stadtrates die Berufung aufrecht zu erhalten habe und keine verfahrensbeendenden Maßnahmen einleiten dürfe. Somit liegt bis heute der noch nicht entschiedene Antrag auf Zulassung der Berufung vor.
Ein neues Rechtsgutachten bringt Erschütterndes zu Tage. In deutlichen Worten stellt es fest, dass die Weisung des Ministeriums rechtswidrig war. Um einen Gerichtsbeschluss, welcher die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Anweisung zur Hambach-Räumung feststellt zu unterlaufen, handelt das Heimatministerium erneut “rechtswidrig”. Das Gutachten führt aus, dass die Weisung auf einer völlig falschen Rechtsgrundlage beruht, da “nicht nachvollziehbar” ist, inwiefern das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen könne. Dies ist aber elementarer Teil der Begründung der Weisung. Hierbei handelt es sich mitnichten um eine Bagatelle oder um Schlampigkeit. Vielmehr “ist ein Ermessensmissbrauch der anweisenden Behörden zu bejahen, da diese aus politischen Motiven heraus angewiesen haben“.
Daraus ergeben sich einige Punkte, die in der Aufarbeitung der rechtswidrigen Räumung und dem damit verbundenen größten und sinnlosesten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes NRW im Hambacher Wald geklärt werden müssen:
- Das bisherige Vorgehen offenbart eine erschreckende Missachtung der kommunalen Selbstverwaltung durch die aktuelle Landesregierung. Anstatt den demokratischen Beschluss des Kerpener Stadtrates zu würdigen, beugte das Ministerium Recht, um sich über die kommunale Entscheidung zu setzen. Für mich ist klar, dass wir eine neue Landesregierung brauchen, die mit den Kommunen auf Augenhöhe unterwegs ist und mit ihnen einen respektvollen und partnerschaftlichen Umgang pflegt. Wenn Kommunen, wie hier im Fall der Räumungsverfügung, rechtliche Bedenken haben, müssen diese Ernst genommen und nicht, wie von der schwarz-gelben Landesregierung, einfach von oben herab übergangen werden. Es schadet unserem Rechtsstaat und unserer Demokratie insgesamt, wenn eine Landesregierung sich nach Gutsherrenart über den Willen der Stadträte hinwegsetzt. Wir brauchen starke Kommunen, auch als Orte, an denen die Transformation zu einer sozial- und klimagerechten Gesellschaft maßgeblich gestaltet wird. Die nächste Landesregierung muss ihnen daher Handlungsspielräume ermöglichen und sie in ihrem Selbstbestimmungsrecht unterstützen.
- Warum folgte Kerpens CDU-Bürgermeister der Weisung des Heimatministeriums anstatt dem Beschluss des Stadtrates, zumal er selbst im Vorfeld der Räumung massive rechtliche Bedenken an dem bauordnungsrechtlichen Vorgehen des Ministeriums geäußert hatte? Von einem Bürgermeister ist doch eigentlich grundsätzlich zu erwarten, dass er sich für die Interessen seiner Kommune und ihrer Bürger*innen und ihres Rates stärker einsetzt als für partei- und machtpolitische Taktierereien seiner CDU.
- Und zu guter Letzt muss die Landesregierung, muss das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung die offensichtlich rechtswidrige Weisung an die Kommune Kerpen zurückziehen. Dies ist eigentlich wirklich das Mindeste, was von einer Regierung erwartet werden kann: Rechtsstaatliche Prinzipien zu achten und sich an die Gesetze zu halten. Diese rechtswidrige Weisung muss daher zurückgenommen werden. Dann kann das Urteil des VG Köln endlich in Rechtskraft erwachsen und die Folgen der illegalen Räumung des Hambacher Waldes können aufgearbeitet werden.
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